Caroline-Entscheidung

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Inhaltsverzeichnis

Es gibt viele Caroline-Entscheidungen

Unter der Caroline-Entscheidung wird in der Regel die EGMR Beschwerde-Nr. 59320/00, 24. Juni 2004 verstanden.


1 BvR 653/96 v.15.12.1999

Vorläufer war die Entscheidung des BVerfG 1 BvR 653/96 vom 15.12.1999 mit den folgenden Leitsätzen

L e i t s ä t z e

1. Die von dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Privatsphäre ist nicht auf den häuslichen Bereich beschränkt. Der Einzelne muß grundsätzlich die Möglichkeit haben, sich auch an anderen, erkennbar abgeschiedenen Orten von Bildberichterstattung unbehelligt zu bewegen.

2. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist nicht im Interesse einer Kommerzialisierung der eigenen Person gewährleistet. Der Schutz der Privatsphäre vor Abbildungen tritt zurück, soweit sich jemand selbst damit einverstanden zeigt, daß bestimmte, gewöhnlich als privat angesehene Angelegenheiten öffentlich gemacht werden.

3. Der Schutzgehalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts von Eltern oder Elternteilen erfährt eine Verstärkung durch Art. 6 Abs. 1 und 2 GG, soweit es um die Veröffentlichung von Abbildungen geht, die die spezifisch elterliche Hinwendung zu den Kindern zum Gegenstand haben.

4. Die in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG enthaltene Gewährleistung der Pressefreiheit umfaßt auch unterhaltende Publikationen und Beiträge sowie deren Bebilderung. Das gilt grundsätzlich auch für die Veröffentlichung von Bildern, die Personen des öffentlichen Lebens in alltäglichen oder privaten Zusammenhängen zeigen.

Diese Entscheidung genügte der Kanzlei Prof. Prinz und Caroline nicht und diese gingen vor den EGMR.

EGMR Beschwerde-Nr. 59320/00, 24. Juni 2004

EGMR, Beschwerde-Nr. 59320/00, 24. Juni 2004 (EGMR NJW 2004, 2647 ff.)

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschied letztinstanzlich, dass durch die Veröffentlichung der Bilder das Recht auf Achtung des Privatlebens (Art. 8. der Europäischen Menschenrechtskonvention) verletzt worden sei.

Der sich daraus ergebende Anspruch auf Schadensersatz wurde außergerichtlich vereinbart. Die Bundesrepublik Deutschland zahlte Caroline im Jahre 2005 Schadensersatz wegen nicht ausreichenden Schutzes durch die deutschen Gerichte und zusätzlich eine Kostenerstattung. Insgesamt belief sich die Zahlung auf 115.000 Euro.

Aus der Urteilszusammenfassung

„Die Freiheit der Meinungsäußerung gilt zwar auch für die Veröffentlichung von Fotos, doch in diesem Bereich kommt dem Schutz des guten Rufs und der Rechte anderer besondere Bedeutung zu, da es hier nicht um die Verbreitung von „Ideen“ geht, sondern von Bildern, die sehr persönliche oder sogar intime Informationen über einen Menschen enthalten. Außerdem werden die in der Boulevardpresse veröffentlichten Fotos oftmals unter Bedingungen gemacht, die einer ständigen Belästigung gleichkommen und von der betroffenen Person als Eindringen in ihr Privatleben, wenn nicht sogar als Verfolgung empfunden werden.“
„Das entscheidende Kriterium für die Abwägung zwischen Schutz des Privatlebens einerseits und Freiheit der Meinungsäußerung andererseits besteht nach Ansicht des Gerichtshofs [sic!] darin, inwieweit die veröffentlichten Fotos zu einer Debatte beitragen, für die ein Allgemeininteresse geltend gemacht werden kann. Im vorliegenden Fall handelt es sich um Fotos aus dem Alltagsleben von Caroline von Hannover, um Fotos also, die sie bei rein privaten Tätigkeiten zeigen. Der Gerichtshof nimmt diesbezüglich zur Kenntnis, in welchem Zusammenhang die Fotos gemacht wurden, nämlich ohne Wissen der Beschwerdeführerin, ohne ihre Einwilligung und zuweilen auch heimlich. Diese Fotos können nicht als Beitrag zu einer Debatte von allgemeinem öffentlichem Interesse angesehen werden, da die Beschwerdeführerin dabei kein öffentliches Amt ausübt und die strittigen Fotos und Artikel ausschließlich Einzelheiten ihres Privatlebens betreffen.“
„Ferner mag die Öffentlichkeit zwar ein Recht darauf haben, informiert zu werden, ein Recht, das sich unter besonderen Umständen auch auf das Privatleben von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens erstrecken kann, im vorliegenden Fall ist ein solches Recht jedoch nicht gegeben. Nach Auffassung des Gerichtshofs kann die Öffentlichkeit kein legitimes Interesse daran geltend machen zu erfahren, wo Caroline von Hannover sich aufhält und wie sie sich allgemein in ihrem Privatleben verhält, auch wenn sie sich an Orte begibt, die nicht immer als abgeschieden bezeichnet werden können, und auch wenn sie eine weithin bekannte Persönlichkeit ist. Und selbst wenn ein solches Interesse der Öffentlichkeit besteht, ebenso wie ein kommerzielles Interesse der Zeitschriften, die die Fotos und die Artikel veröffentlichen, so haben diese Interessen nach Ansicht des Gerichtshofs im vorliegenden Fall hinter dem Recht der Beschwerdeführerin auf wirksamen Schutz ihres Privatlebens zurückzutreten.“

Kritik an der Caroline-Entscheidung

In der Caroline-Entscheidung wurde festgelegt, dass denkbar privilegierte Nutznießer des Erbes von adeligen Ausbeutern so wichtig sind, dass sie des Schutzes des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bedürfen, wenn sie sich in einer öffentlichen Kneipe treffen, öffentliche Schwimmbäder besuchen oder das hochwohlgeborene Töchterchen beim Reitturnier exponieren und sich dabei dabei vom gemeinen Volk beobachtet fühlen.

Diese Rechtsunsicherheit führte bei den Medien - vornehmlich der Boulevardpresse - zu einer deutlich zurückhaltenderen Bildberichterstattung, was die Anzahl der entsprechenden Verfahren dramatisch sinken ließ.

Um den hiermit einhergehenden Einbruch der Auftragslage bei Medienanwälten zu kompensieren, schenkte die Rechtsprechung diesen die Stolpe-Entscheidung. Medienanwälte weichen nunmehr von Bildabmahungen gegenüber großen Verlagen in die Wegelagerei des Äußerungsrechts aus und mahnen lieber kleine Leute ab - mit denselben Streitwerten.

Entscheidung im Original

Caroline-Entscheidung

Urteile

Urteile zum Recht am eigenen Bild

Siehe auch

Persönliche Werkzeuge