324 O 242/09 - 07.08.2009 - Private Feiern und Umzüge gehen niemanden etwas an

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Inhaltsverzeichnis

BUSKEISMUS


Landgericht Hamburg


Im Namen des Volkes


URTEIL



Az.: 324 O 242/09 verkündet am: 07.08.2009

[bearbeiten] Parteien

In der Sache

des Herrn ...

Antragsteller,

- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Nesselhaus, Hamburg

gegen

Klambt-Verlag GmbH & Cie.

Antragsgegnerin,

- Prozessbevollmächtigte: Werner & Knop

erkennt das Landgericht Hamburg, Zivilkammer 24,

auf mündliche Verhandlung vom 07.08.2009

durch

den Vorsitzenden Richter am Landgericht Buske

den Richter am Landgericht Dr. Link

die Richterin am Landgericht Ritz

[bearbeiten] für Recht

I. Die einstweilige Verfügung vom 26. 5. 2009 wird bestätigt.

II. Die Antragsgegnerin hat auch die weiteren Kosten des Verfahrens zu tragen, und zwar nach einem Streitwert von € 20 500,–.


[bearbeiten] Tatbestand

Die Antragsgegnerin wendet sich gegen eine einstweilige Verfügung der Kammer, mit der ihr verboten wurde,

1. zu behaupten bzw. behaupten zu lassen, zu veröffentlichen bzw. zu veröffentlichen zu lassen oder sonst zu verbreiten oder sonst verbreiten zu lassen,

a) …

b) „Haben Sie (sc. XX) noch Kontakt zu XX? ‚Wir sehen uns natürlich auf Familienfeiern.‚“;

und / oder

2. durch die Formulierung

„Warum ist R. K. mit seiner Familie eigentlich wieder von B. nach M. gezogen? Sie haben sich in B. gar nicht so wohl gefühlt. Und vielleicht hat es auch mit seiner Krankheit zu tun, weil die Luft in W. doch besser ist. Sie wohnen jetzt in G.. Das ist auch ein Stadtteil von M.. Das kann natürlich auch gewollt sein, sie wohnen jetzt in der Nähe des Universitätsklinikums.“

den Verdacht zu erwecken bzw. erwecken zu lassen,

a) XX sei wegen seiner Erkrankung nach M. zurückgezogen;

und / oder

b) Der Wohnort von XX sei wegen der Nähe zum Wohnort zum Universitätsklinikum gewählt worden;

und / oder

3. im Zusammenhang mit der inkriminierten Berichterstattung das in „D.“ vom 1. April 2009 (Nr. 15/2009) auf Seite 17 abgedruckte Foto, das XX zeigt (Bildinnenschrift: „Seit über acht Jahren ist XX lungenkrank. Dennoch tritt er auf…“), zu veröffentlichen bzw. veröffentlichen zu lassen und / oder sonst zu verbreiten bzw. sonst verbreiten zu lassen.

Der Antragsteller ist Schlagersänger. Im Verlag der Antragsgegnerin erscheint u.a. die Zeitschrift „D.“. In deren Ausgabe vom 1.4.2009 wurde unter Ankündigung auf der Titelseite auf Seite 17 unter der Überschrift „Seine Familie ist in großer Sorge XX ‚Wir wissen nicht, wie viel Zeit er noch hat‘“ über den Antragsteller und dessen Krankheit berichtet. Diese Berichterstattung enthält die streitgegenständlichen Äußerungen und Fotoveröffentlichung. Für die Einzelheiten wird auf deren Kopie gemäß Anlage K1 Bezug genommen.

Der Antragsteller ist an der Lungenkrankheit C. erkrankt. Nachdem er zuvor in B. lebte, zog er mit seiner Familie nach M.. Dieser Umzug hatte nichts mit seiner Erkrankung zu tun, der Wohnort wurde nicht nach der Entfernung zum Universitätsklinikum M. ausgewählt. Im Jahr 2009 erschien das Buch des Antragstellers mit dem Titel „Atempause“, in dem er sich zu seiner Krankheit und seinem Leben mit ihr äußert. Für Einzelheiten wird auf den als Anlage AG 4 zur Akte gereichten Auszug Bezug genommen. Der Antragsteller und der in der Berichterstattung zu Wort kommende G. B. haben sich zuletzt vor Jahren bei einer Beerdigung gesehen.

Mit Schreiben vom 3.4.2009 forderte der Antragsteller die Antragsgegnerin durch seine Prozessbevollmächtigten zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung auf, was diese zurückwies. Daraufhin beantragte der Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Verfügung, die die Kammer nach Rücknahme des Antrags zu Ziffer 1a) erließ und gegen die sich nun die Antragsgegnerin mit ihrem Widerspruch wendet.

Zur Begründung ihres Widerspruchs beruft sich die Antragsgegnerin darauf, dass der Antragsteller eine Person des öffentlichen Interesses sei. Über ihn dürfe in größerem Umfang berichtet werden als über andere Personen. Er könne sich im Hinblick auf seine Krankheit schon deswegen nicht auf ein Recht zur Privatheit berufen, da er diese selbst der Öffentlichkeit preisgegeben habe. Wenn sich ein Prominenter wie der Antragsteller mit seiner Krankheit in die Öffentlichkeit begebe, dann handele es sich um ein zeitgeschichtliches Ereignis. Es sei von erheblichem öffentlichem Interesse, in diesem Zusammenhang seine Familie zu befragen. Die Äußerung, „wir sehen uns natürlich bei Familienfeiern“ belege, dass der Gefragte beurteilen könne, wie es um den Antragsteller stehe.

Die Antragsgegnerin trägt weiter vor, dass sich der Unterlassungstenor zu Ziffer 2) auf eine Meinungsäußerung beziehe.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die einstweilige Verfügung aufzuheben und den zugrundeliegenden Antrag zurückzuweisen.

Der Antragsteller beantragt,

die einstweilige Verfügung zu bestätigen.

Der Antragsteller ist der Ansicht, die angegriffenen Passagen griffen in seine Privatsphäre ein und verletzten sein Persönlichkeitsrecht.

Für den weiteren Sach- und Streitstand wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 7.8.2009 Bezug genommen.


[bearbeiten] Entscheidungsgründe

I. Nach dem Ergebnis der Widerspruchsverhandlung war die einstweilige Verfügung zu bestätigen. Dem Antragsteller stehen die geltend gemachten Unterlassungsansprüche aus §§ 823 Abs. 1, Abs. 2, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. §§ 22, 23 KUG, Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG zu. Die angegriffene Berichterstattung verletzt den Antragsteller bei bestehender Wiederholungsgefahr in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht.

1. Es kann dahin stehen, ob es sich bei der Äußerung unter Ziffer 1b) des Tenors um eine wahre Tatsachenbehauptung handelt oder ob sie angesichts des unstreitigen Umstands, dass sich der Antragsteller und G. B. zuletzt vor Jahren bei einer Beerdigung gesehen haben, als unwahr zu gelten hat. Denn selbst wenn die Behauptung wahr wäre, so verletzte sie den Antragsteller gleichwohl in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, da sie rechtswidrig in die Privatsphäre des Antragstellers eingreift.

Wie und mit wem der Antragsteller seine Freizeit und speziell Familienfeiern verbringt, betrifft den Bereich, zu dem der Antragsteller die berechtigte Erwartung hegen kann, dass dieser nicht Gegenstand einer breiten Öffentlichkeit wird. Es geht um den privaten Lebensbereich des Antragstellers, den Bereich, der als ein Rückzugsrefugium des Antragstellers anzusehen ist. Einen solchen Bereich kann auch beanspruchen, über wen als Figur des öffentlichen Interesses in größerem Umfang berichtet werden darf.

Die Privatsphäre genießt zwar keinen absoluten Schutz. Ihr Schutz steht in einem Spannungsverhältnis zu der mit gleichem Rang gewährleisteten Äußerungs- und Pressefreiheit, so dass die Belange des Betroffenen gegenüber dem Veröffentlichungsinteresse abzuwägen sind (Kröner in: Hamburger Kommentar Gesamtes Medienrecht 2008, 33. Abschnitt, Rn. 30; vgl. auch Soehring, Presserecht, 4. Auflage 2003, Rn. 19.12). Im Rahmen der gebotenen Abwägung hat jedoch im hier zu entscheidenden Fall die durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Äußerungsfreiheit zurückzutreten. Das Berichterstattungsinteresse an der angegriffenen Äußerung leitet sich allein daraus her, den Interviewten, G. B., als jemanden vorzustellen, der über Informationen aus dem Privatleben des Antragstellers verfügt, um somit dessen Glaubhaftigkeit zu erhöhen. Um dieses Berichterstattungsinteresse zu schaffen, disponiert G. B. aber über die Privatsphäre des Antragstellers, indem er offenbart, mit wem der Antragsteller auf Familienfeiern zusammen trifft. An dieser Information besteht jedoch kein Berichterstattungsinteresse, das über die Befriedigung bloßer Neugier hinausginge, sie trägt insbesondere nicht zu einer Sachdebatte bei, die ein allgemeines Informationsbedürfnis befriedigte. In diesem Zusammenhang ist auch von Bedeutung, dass es zwar zutreffend ist, dass sich der Antragsteller und G. B. in der Vergangenheit anlässlich von Familienfeiern begegnet sind, dies aber unstreitig in den letzten Jahren nicht mehr der Fall gewesen ist. Dieser Umstand wirkt sich auf das Berichterstattungsinteresse an der angegriffenen Äußerung aus, da ihr damit eine geringere Bedeutung gerade im Hinblick auf die Glaubhaftigkeit der Angaben des G. B. zukommt.

Der Antragsteller muss sich im Zusammenhang mit der hier streitgegenständlichen Äußerung auch nicht entgegenhalten lassen, dass er sich selbst in dem Buch „Atempause“ zu seiner Krankheit geäußert habe. Dies führt zwar grundsätzlich dazu, dass er sich aufgrund der darin liegenden Begebung seines Privatsphärenschutzes diesbezüglich nicht mehr vollen Umfangs auf den Schutz seiner Privatsphäre berufen kann. Die Äußerung betrifft aber einen davon unabhängigen Bereich seiner Privatsphäre, nämlich die Frage, mit wem der Antragsteller bei Familienfeiern zusammentrifft. Der Schutz der Privatsphäre vor öffentlicher Kenntnisnahme kann aber nur dort entfallen oder im Rahmen der Abwägung zurücktreten, wo sich der Betroffene selbst damit einverstanden gezeigt hat, das bestimmte, gewöhnlich als privat geltende Angelegenheiten öffentlich gemacht werden (vgl. BVerfG NJW 2006, 3406, 3408).

2. Der Verbotstenor zu Ziffer 2. betrifft eine Verdachtsberichterstattung über innere Tatsachen. Die angegriffene Passage befasst sich mit der Frage, warum der Antragsteller von B. nach M. gezogen ist. Sie beinhaltet Spekulationen über die Beweggründe für den Weggang des Antragstellers aus B. und die Wahl des Wohnortes in M.. Bei den Beweggründen, den Motiven etwas zu tun, handelt es sich um innere Tatsachen. Hier erwecken sie den tatsächlichen Verdacht, die Gründe für den Umzug lägen in der Krankheit des Antragstellers und der Nähe zum Universitätsklinikum M., wenn es heißt „vielleicht hat es auch mit seiner Krankheit zu tun, weil die Luft hier in W. doch besser ist“ und „das kann natürlich auch gewollt sein, sie wohnen jetzt in der Nähe des Universitätsklinikums“.

Dieser Verdacht wird von der Antragsgegnerin verbreitet, indem sie die Interviewäußerungen des G. B., die den Verdacht abwerfen, veröffentlicht. Sie haftet als intellektuelle Verbreiterin dieser Äußerungen, da sie sich vom Inhalt der Äußerung in keiner Weise distanziert. Da es sich bei der verbreiteten Äußerung um eine Verdachtsäußerung handelt, richtet sich auch die Zulässigkeit der Verbreitung dieses Verdachts nach den Grundsätzen der Verdachtsberichterstattung.

Eine Verdachtsberichterstattung ist zulässig, wenn an der Verbreitung des Verdachts ein überwiegendes öffentliches Informationsinteresse besteht, der Sachverhalt sorgfältig recherchiert worden ist, hinreichende Anknüpfungstatsachen dafür vorliegen, dass der geäußerte Verdacht zutrifft und der Sachverhalt ausgewogen dargestellt wird, ohne dass es zu einer Vorverurteilung des Betroffenen kommt (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 7.12.1999, Az. VI ZR 51/99, Juris-Absatz Nr. 20).

Im vorliegenden Fall fehlt es bereits an einer sorgfältigen Recherche. Eine sorgfältige Recherche setzt grundsätzlich voraus, dass eine Stellungnahme des Betroffenen eingeholt wurde. Dies ist im vorliegenden Fall unterblieben, ohne dass eine solche entbehrlich gewesen wäre. Es sind keine Gründe ersichtlich, die für eine Entbehrlichkeit der Nachfrage beim Betroffenen sprechen könnten, insbesondere kann die Berichterstattung nicht für sich in Anspruch nehmen, besonders eilbedürftig gewesen zu sein.

3. Die Veröffentlichung des den Antragsteller zeigenden Fotos im Zusammenhang mit der untersagten Berichterstattung verletzt das Recht des Antragstellers am eigenen Bild und ist gemäß §§ 22, 23 KUG unzulässig.

Eine Einwilligung des Antragstellers zur Veröffentlichung seines Bildnisses im Zusammenhang mit der gemäß der Ziffer 1. und 2. untersagten Berichterstattung liegt nicht vor. Diese war hier auch nicht gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG entbehrlich, da jedenfalls berechtigte Interessen des Antragstellers gemäß § 23 Abs. 2 KUG einer Veröffentlichung entgegen stehen. Das Foto dient vorliegend allein der Bebilderung einer im Verhältnis zum Antragsteller rechtswidrigen Wortberichterstattung. Ein überwiegendes Veröffentlichungsinteresse besteht im Zusammenhang mit dieser Wortberichterstattung nicht.

4. Die Wiederholungsgefahr wird durch eine rechtswidrige Erstbegehung indiziert (BGH, NJW 1994, 1281, 1283). Gründe, die dieser Indizwirkung im vorliegenden Fall entgegenstünden, sind nicht ersichtlich. Die Antragsgegnerin hat insbesondere keine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben.

[bearbeiten] Kostenentscheidung

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

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